Drehbuch

Auf die Idee, mich mit Film zu beschäftigen, kam ich übers Theater.

Wir waren Mitte der Neunziger Jahre mit unserem Stück „Bosana“ in ganz Deutschland zu Gastspielen eingeladen. Wir, das waren Anja Lais, Vernesa Berbo, Dietrich Lehmann, Emir Joldic, Benjamin Filipovic, Stefan Fischer-Fels und ich. Das Tourneeleben ist anstrengend und ab einem gewissen Punkt einsam. Man kommt im Theater in einer mehr oder weniger fremden Stadt an, baut die Bühne auf, richtet das Stück ein, spielt, spricht mit dem Publikum und dann hat man nur noch ein Hotelzimmer. Auf diesen Reisen fingen wir an, uns nächtelang eine Geschichte auszudenken, sozusagen das Stück, das wir spielten, auf eine neue, wilde Art umzuformulieren. Damals entstand in Berlin eben der Neubau des Potsdamer Platzes, und rund um diesen spielt „Sigu Sigu Siegessäule“. Es ist die Geschichte einer jungen Bosnierin, die ihre vor dem Krieg geflüchtete Schwester in Berlin sucht. Ein junger Berliner Drachenflieger verliebt sich in sie, die Bosnische Mafia kommt ins Spiel, ein Berliner Innensenator, der sich nachts mit seinem Wellensittich unterhält, organisiert Abschiebungen, illegale Bauarbeiter und die Penner vom Berliner Hansaplatz bringen die Stadt durcheinander. Ich vermute, es war die tollste Filmgeschichte, die ich je geschrieben habe. Ich hatte das übernommen, unsere Geschichte aufzuschreiben. Nach den Tourneen setzten wir uns in Berlin zusammen und ich las den anderen mein erstes Drehbuch vor. Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als Anja mich ansah und rief: „Boris, du kannst schreiben!“ Den nächsten Schritt machte dann Dietrich Lehmann, Lemmi.

(Dietrich Lehmann, „Lemmi“ und Anja Lais – damals beide Schauspieler am GRIPS Theater)

Er nahm das Drehbuch und ging damit zu Reinhard Hauff, dem damaligen Direktor der Deutschen Film- und Fernsehakademie. Lemmi fragte ihn, ob er den Film als Regisseur drehen wolle? Hauff erzählte mir später einmal, er habe eingesehen, dass er kein guter Regisseur sei, deswegen sei er Hochschuldirektor geworden, um andere, talentiertere Leute zu fördern.
(Das heißt nicht, dass er alle seine Stundenten talentierter als sich fand. Im Gegenteil, in der Regel brüllte er jeden, den er in die Finger bekam, an, er solle sich bloß nichts einbilden. Mich verband später eine echte Hassliebe zu ihm. Ich war ihm unglaublich dankbar, dass er mir die Möglichkeit eröffnet hatte, an der dffb zu studieren. Aber als ich diese zwei Jahre später aus verschiedenen Gründen – hauptsächlich aber wegen einer gnadenlos kommerziellen Ausrichtung des Drehbuchakademie – gründlich satt hatte, wollte er mir mein Diplom nicht geben. Er meinte, ich sollte das Drehbuch zu meinem Abschlußfilm „Der Wodkaengel“ noch ein weiteres Jahr als Student überarbeiten. Ich bestand darauf, die Akademie zu verlassen. Er gab mir dann mein Diplom und nannte
„Der Wodkaengel“ in der Abschlußrede die Arbeit eines sehr guten Autors. Damals dachte ich über ihn: „Wen er einmal ins Herz geschlossen hat, der bekommt so schnell keinen Freigang mehr.“) Nachdem Lemmi ihm „Sigu Sigu Siegessäule“ ans Herz gelegt hatte, wollte Hauff wissen, wer dieser Boris Pfeiffer sei, der das Drehbuch geschrieben hatte. Er wolle zwar den Film nicht drehen, mich aber als Studenten zu einer Prüfung an seiner neugeschaffenen Drehbuchakademie einladen. Und da ich einige Jahre Theater hinter mit hatte und neugierig war, schreiben wollte ich sowieso, begann ich bald darauf, nach einem bestandenen Auswahlverfahren, Drehbuch zu studieren.

Das größte Problem an der Drehbuchakademie war, dass wir Drehbuchstudenten zwar dauernd schrieben, aber nie eines unserer Drehbücher verfilmen konnten. Wir konnte einfach nicht die Erfahrung machen, wie das geschriebene Wort in Film umgesetzt wirkte, was es werden konnte. Wir blieben von jeder praktischen Erfahrung ausgeschlossen. Die anderen Studenten – Regie, Kamera, Produktion – durften Filme machen. Unsere Ideen tauchten nur auf und wurden geschrieben, um wieder in der Schublade zu versinken. Die Regiestudenten wollten, wenn überhaupt, Autoren, die ihnen ihre Ideen schrieben. Sie waren zu unerfahren, um sich an den Ideen anderer abzuarbeiten. Gleichzeitig lautete der permanent wiederholte Leitsatz der Leiterin der Drehbuchakademie: „Ist es komisch, was Du geschrieben hast? Es muß komisch sein!“ So groß war ihre Angst, sie könnte keines der Abschlußdrehbücher an einen der Sponsoren der Akademie verkaufen, dass sie nicht in der Lage war, sich auf die Stoffe der Studenten einzulassen. Die Drehbuch-Akademie, das war das Schlimme, bot keinen Raum zum Ausprobieren. Auch deswegen haute ich zwei Monate ab und inszenierte
„Shak’n Shakespeare“ am Schauspielhaus Zürich.
Es munterte mich auf, dass die Inszenierung „die Perle des Shakespeare Festivals“ genannt wurde. Immerhin, das eine oder andere kam auch an der Akademie oder ihrem Umfeld zustande. Ich schrieb mit Juan Pancorbo das Drehbuch zu seinem Kurzfilm „Drei Gründe“, arbeitete mit Karsten Weissenfels bei der Berliner Produktionsfirma B&T Film das Treatment für den Thriller „Solo X Zwei“ aus und schrieb im Rahmen des Studiums zwei Drehbücher: „Wer Jagte Joao Cossa ?“ – eine Geschichte über Neonazis in Frankfurt/Oder, zu der mich Mogens Rukov gedrängt hatte, und mit der ich in der Fernsehlandschaft auf verlorenem Posten stand. Und schließlich „Der Wodkaengel“, die Geschichte eines Säuferpaares, die sich aus dem zweiten Weltkrieg über die Nachkriegszeit in Hamburg entwickelt.

Erste und letzte Seiten der Drehbücher "Der Wodkaengel" und "Wer Jagte Joao Cossa?":

O DER WODKAENGEL als PDF
O WER JAGTE JOAO COSSA? als PDF

Dazu kamen einige Drehbücher für Kurzfilme, darunter

„Computersexy“, „Junge Jagt Vogel“ und „Tote Katze“

und Haufenweise Ideen für Fernsehserien – von denen ich später auch einige verkaufte und dank derer ich Felix Huby kennenlernte, der mich endlich auch praktisch mit dem Fernsehen zusammen brachte. In der folgenden Zeit schrieb ich einige Drehbücher und lieferte Ideen für „Tierarzt Dr. Engel“ und „Tatort“. Inzwischen habe ich mit Huby auch einige schöne Arbeiten am Theater gemacht. Andere Ideen, wie das Serienkonzept „Yildiz, Spacker & Toy“ entstanden, vertreten durch die Ophir Film, Berlin die auch das Treatment von Huby und mir für den Film Hochzeitsmarsch Mit Leiche“ unter ihren Fittichen hat.
Einige Zeit arbeitete ich auch für die Produktionsfirma von Ulrich Meyer, Meta Productions, wo ich Drehbücher schrieb und Formate entwickelte.

Hier einige Fotos von Drachenblut und die Urkunde des Festivals:

Ein schöner Erfolg war der Kurzfilm

Drachenblut

zu dem ich das Drehbuch schrieb. Thomas Ruge gewann für die Regie „Platin“, also den 1. Platz, auf dem
36. WorldFest-Filmfestival in Houston, Texas vom 4.-13. April 2003 in der Sektion Kurzfilm.

Zusammen mit Thomas entwickelte ich auch die Idee für das Projekt „Inside The Truth“, vertreten durch die Annazarah Films, Zürich und ihren Leiter Martin Rengel, mit dem ich auch das Drehbuch zu
„Isländische Nacht“ schrieb.

Zur Zeit arbeite ich mit Veronica Martin von „La ofi-cine“ und dem Regisseur Arturo Salvador an einem Kurzfilm über eine (natürlich komische) sexuelle Frustration ..

Links:

Felix Huby: www.felixhuby.de
Ophir Film, Volker Kellner: www.ophirfilm.com
Thomas Ruge: www.thomas-ruge.de